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16. Dezember 2019
Prof. Dr. Munib Maglajlić
4. Januar 2020

Deutsch

Das Lied Sevdalinka als volksmusikalischer Ausdruck der urbanen Architektur und des schöpferisch-musikalischen Geistes der Völker Bosniens

Dr. Rašid Durić

Zusammenfassung
Das volkstümliche bosnische Lied, das unten den Namen „Sevdalinka“ im ganzen Balkanraum seit etwa einem Jahrhundert ernannt und bekannt wurde, ist ein Akt des musikalisch-melodischen Schaffens, der sich in der ersten Reihe als eine reine Gesangskunst auszeichnet. Das Sevdalinka- Lied ist vor allem ein Gedicht der Verliebten über die Sehnsucht nach Liebe und die unerwiderte Liebe. Sevdalinka ist die Bezeichnung für das städtische Liebesvolkslied, das in ihrer Entstehung und Verbreitung ursprünglich auf das Gebiet Bosniens und Herzegowinas beschränkt war. .Der Terminus “Sevdalinka” kommt aus dem „Sevdah“ der aus dem Arabischen stammt und gelangte durch Vermittlung des Persischen und des Türkischen als „sevda“ in die bosnische Sprache, wo er „Liebe“, „Liebessehnsucht“, „Liebeskummer“, „Liebestrennung“ bedeutet. (Škaljić 1989: 561, 562). Bei ihrem Tonalitätsvergleich mit der anderen Genres der volksmündlichen Tradition, ist das Sevdalinkalied mit dem Tonalitätsreichtum gekenzeichnet. Das durchschnittliche Sevdalinkalied ist nämlich reicher an Tonalität und enthält etwa durchschnittlich fünf bis neun Töne in einem Lied. (Vgl.: Milošević 1964; Karača 2006). Die mehreren Tausenden Sevdalinka-Lieder, die in Bosnien-Herzegowina unter islamisch-religiösem Einfluss entstandenen Melodien geprägt sind und durch den Einfluss dreier Sprachen (des Arabischen, Persischen und Türkischen) gekennzeichnet sind, werden von der Islamisierung Bosnier im 16. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit als Volkslied in der Gesangstradition aller Volksbosnier gepflegt. In diesem Aufsatz wird präsentiert, wie sich die urbane, städtische Architektur während der türkischen Herrschaft, und in der Gesangkultur der islamisierten Bosnier (der Bosniaken) in das Lied Sevdalinka entwickelt hat und heutzutage im Sevdalinkalied widerspiegeln.. . .[…]

(Erschienen in  der Zeitschrift für Musikgeschichte, Heft 20, 2018. Leipzig, Seite 59-77)

Mit den Habsburgern kamen die Harmonika und die deutsche Sevdalinka

Emina Ribo

Eine Analyse der deutschen Übersetzungen des bosnischen Liebeslieds als Form der Kulturvermittlung in der Regierungszeit der Habsburger in Bosnien und Herzegowina
„Što je do sad čamilo u tami, to sada izlazi na svjetlost, da cvjeta i miriše” (dt.: Was bis jetzt im Dunklen verborgen war, tritt nun ans Licht, sodass es blüht und duftet) ist ein Zitat Kosta Hörmanns aus dem ersten Band seiner im Jahr 1888 publizierten Volksliedersammlung, welche dank der Förderung der österreich-ungarischen Landesregierung in Bosnien und Herzegowina eine beachtliche Rezeptionsreichweite erlangte und einen wesentlichen Beitrag zur Identitätsbildung der MuslimInnen im Land unter der Habsburgerregierung leistete. Nur ein Jahr zuvor räumte der Berliner Kongress den Habsburgern das Recht ein, Bosnien und Herzegowina zu verwalten. Nach 30 Jahren folgte schließlich die offizielle Annexion des Landes, bis sich die Habsburgermonarchie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auflöste.
Im Laufe der vierzigjährigen Okkupationszeit kam es zu weitreichenden Veränderungen in der Gesellschafts- und Landesstruktur Bosnien und Herzegowinas, wobei auch Einfluss in das Kulturleben im Land genommen wurde. Der Beweggrund zur Veröffentlichung der bereits erwähnten Volksliedersammlung Kosta Hörmanns war ein kulturpolitischer. Die Sammlung besteht zur Gänze aus Heldenliedern, welche er aus muslimischen Kreisen entnahm. Neben dem Heldenlied war zu dieser Zeit und ist auch heute noch die sogenannte Sevdalinka eine weit verbreitete Liedform in Bosnien und Herzegowina, deren charakteristische Merkmale stark mit
der osmanisch geprägten Gesellschaftsstruktur in Verbindung stehen und deren Inhalt somit eine Reflexion dieser damaligen Strukturen in Bosnien und Herzegowina darstellt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Vermittlungsfunktion der Sevdalinka auf wissenschaftlicher Ebene zu untersuchen, zumal im Zuge der Okkupation Bosnien und Herzegowinas durch die Habsburger zwei unterschiedlich geprägte Kulturen aufeinander trafen. Dabei sollen nicht die in der Originalsprache abgefassten Sevdalinka im Vordergrund stehen, sondern vielmehr ihre deutschsprachigen Übersetzungen. Dieser Ansatz wird zeigen können, ob ein für Bosnien und Herzegowina besonderes Kulturgut wie die Sevdalinka zur damaligen Zeit durch deutschsprachige Übersetzungen als eine Form der Kulturvermittlung diente, mit dem Ziel, das neue Reichsland und seine Kultur den deutschsprachigen BürgerInnen vorzustellen und näherzubringen.

[Lied] Sevdah als verwobenes Kulturgut – oder wie Heine nach Bosnien kam

Dr. des. Thomas Schad

Sevdah und Sevdalinka sind zwei Begriffe aus dem ehemaligen Jugoslawien, die ein Musikgenre (Sevdah) und eine Liedform (Sevdalinka) bezeichnen.
Durch die etymologische Herkunft der Begriffe aus der osmanisch-türkischen bzw. der arabischen Sprache, aber auch durch die Instrumentenwahl, den Klang, die Texte sowie die Sprachen, Namen und Herkünfte der Interpretinnen, erzählt und singt die Sevdah von einer durch und durch verwobenen, europäisch-mediterran-nahöstlichen Kulturgeschichte. Dabei erstreckt sich diese Verwobenheit nicht nur vom mittelalterlichen Andalusien über den Balkan in die Levante, sondern bis hinein in die deutschsprachige Literatur des 19. Jahrhunderts: zu Heinrich Heine. Darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Der einzige Grund, warum ich noch nie etwas über Sevdah geschrieben habe, besteht übrigens darin, dass ich seit Jahren Berge von Informationen, Liedern, Alben und Beobachtungen zu diesem wieder aufblühenden, kreativen Phänomen anhäufe. Dadurch droht jedoch jeder Versuch, mit einer Würdigung zu beginnen, sofort zu einem unheilvollen, aus Zeitmangel nicht abschließbaren Riesenprojekt zu werden. Und Sevdah als ein ganz außergewöhnliches und reiches südosteuropäisches Kulturgut hätte sich gewiss eine ausführliche Würdigung verdient. Eine solche Würdigung, die alle Uneindeutigkeiten und Hybriditäten der Sevdah umfasste, könnte vielleicht sogar ein mehrstimmiges Gegenmomentum zur Konjunktur hermetischer Kulturverständnisse, zu neuem Identitarismus und zu falschen, wenn auch gut gemeinten Vorstellungen über „kulturelle Aneignung“ liefern […]

Quelle: thomasschad.wordpress.com

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