Mit den Habsburgern kamen die Harmonika und die deutsche Sevdalinka
Eine Analyse der deutschen Übersetzungen des bosnischen Liebeslieds als Form der Kulturvermittlung in der Regierungszeit der Habsburger in Bosnien und Herzegowina
„Što je do sad čamilo u tami, to sada izlazi na svjetlost, da cvjeta i miriše” (dt.: Was bis jetzt im Dunklen verborgen war, tritt nun ans Licht, sodass es blüht und duftet) ist ein Zitat Kosta Hörmanns aus dem ersten Band seiner im Jahr 1888 publizierten Volksliedersammlung, welche dank der Förderung der österreich-ungarischen Landesregierung in Bosnien und Herzegowina eine beachtliche Rezeptionsreichweite erlangte und einen wesentlichen Beitrag zur Identitätsbildung der MuslimInnen im Land unter der Habsburgerregierung leistete. Nur ein Jahr zuvor räumte der Berliner Kongress den Habsburgern das Recht ein, Bosnien und Herzegowina zu verwalten. Nach 30 Jahren folgte schließlich die offizielle Annexion des Landes, bis sich die Habsburgermonarchie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auflöste.
Im Laufe der vierzigjährigen Okkupationszeit kam es zu weitreichenden Veränderungen in der Gesellschafts- und Landesstruktur Bosnien und Herzegowinas, wobei auch Einfluss in das Kulturleben im Land genommen wurde. Der Beweggrund zur Veröffentlichung der bereits erwähnten Volksliedersammlung Kosta Hörmanns war ein kulturpolitischer. Die Sammlung besteht zur Gänze aus Heldenliedern, welche er aus muslimischen Kreisen entnahm. Neben dem Heldenlied war zu dieser Zeit und ist auch heute noch die sogenannte Sevdalinka eine weit verbreitete Liedform in Bosnien und Herzegowina, deren charakteristische Merkmale stark mit
der osmanisch geprägten Gesellschaftsstruktur in Verbindung stehen und deren Inhalt somit eine Reflexion dieser damaligen Strukturen in Bosnien und Herzegowina darstellt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Vermittlungsfunktion der Sevdalinka auf wissenschaftlicher Ebene zu untersuchen, zumal im Zuge der Okkupation Bosnien und Herzegowinas durch die Habsburger zwei unterschiedlich geprägte Kulturen aufeinander trafen. Dabei sollen nicht die in der Originalsprache abgefassten Sevdalinka im Vordergrund stehen, sondern vielmehr ihre deutschsprachigen Übersetzungen. Dieser Ansatz wird zeigen können, ob ein für Bosnien und Herzegowina besonderes Kulturgut wie die Sevdalinka zur damaligen Zeit durch deutschsprachige Übersetzungen als eine Form der Kulturvermittlung diente, mit dem Ziel, das neue Reichsland und seine Kultur den deutschsprachigen BürgerInnen vorzustellen und näherzubringen.